Altlastenverein blickt zurück und löst sich auf
Gut 30 Jahre, nachdem die flächendeckende Belastung mit Altlasten erkennbar wurde, schließt Neuschloß das Hauptkapitel der Sanierung ab. Der Altlastenverein organisierte in einer Mitgliederversammlung seine Abwicklung. Aber die Sicherung der Überreste der chemischen Fabrik wird unseren Stadtteil noch das angefangene Jahrzehnt über begleiten.
Die Sanierung der Grundstücke im alten Ortskern ist mit dem Ablauf der Gewährleistungsfristen der Baufirmen endgültig abgehakt. Sie im Sinne der Anwohner zu begleiten, war Ziel des Vereins. Die Aufgabe ist erledigt; der Vorstand hat daher beschlossen, den Altlastenverein aufzulösen.
Die Mitglieder erhalten übriges Geld aus ihren Beiträgen zurück; zudem gehen nach dem Ablauf einer einjährigen Frist voraussichtlich etwa 7000 Euro an die Stadt Lampertheim, die sie für gemeinnützige Zwecke verwenden muss, die Neuschloß zugute kommen.
„Wir haben viel erreicht. Wir können auf eine erfolgreiche Arbeit zurückschauen und stolz sein“, sagte Carola Biehal, die Vorsitzende des Vereins, zum Abschluss ihres Rückblicks unter dem Beifall der Mitglieder. Mit der Bodensanierung im Wohngebiet und der Sicherung des Sodabuckels seien zwei Großprojekte abgeschlossen, weitete sie den Blickwinkel. Sie freute sich darüber, dass die Stadt nun die Flächen „Roter Hof“ und „Sandgruben“ im Wald angehe. Die Grundwassersanierung sei auf gutem Weg.
Der frühere Ortsvorsteher Gottlieb Ohl (FDP) dankte dem Vorstand für seine Arbeit – und erinnerte an weitere Engagierte für die Sanierung. Allen voran der Neuschlößer Ralf Peter, der als einer der ersten die Gefahren von Neuschloß erkannte und jene Bürgerinitiative gründete, aus der heraus sich alles folgende bürgerschaftliches Engagement in Projektbeirat und Altlastenverein entwickelte. Lorenz Kirmeier wurde 2000 in den Projektbeirat aufgenommen und war bis zum Sommer 2005 im Vorstand des Altlastenvereins Stellvertretender Vorsitzender. Und zu recht erwähnt auch der frühere Lampertheimer Bürgermeister Erich Maier (parteilos): „Die Sanierung von Neuschloß war sein Lebenswerk“, sagte Ohl.
Die Altlasten werden Neuschloß weiter beschäftigten. Es wird wohl noch das begonnene Jahrzehnt brauchen, um vor allem das Grundwasser und die belasteten Flächen im Wald zu sichern. Neben „Rotem Hof“ und „Sandgruben“ gibt es südlich der Landesstraße noch keine kleiner Fläche namens „Tränke“, die es noch zu bearbeiten gilt, wie Stephan Frech, Umweltexperte der Stadt Lampertheim, bestätigte.
Presseschau
So berichten anderen über die Mitgliederversammlung.
- Die Lampertheimer Zeitung erläutert: Amerikaner würden dazu kurz „Mission accomplished“ – Mission erfüllt – sagen. Beim Vorstand des Altlastenvereins klingt das nicht ganz so lässig: „Der Zweck des Vereins ist erfüllt“, erklärt Carola Biehal. Denn nach zwei Jahrzehnten ist die Sanierung des Wohngebiets in Lampertheims östlichem Stadtteil abgeschlossen. (…) Gänzlich loslassen werden die Altlasten die Neuschlösser aber nicht. Das Grundwasser wird durch ein Pilotprojekt der Uni Heidelberg weiter von Arsen befreit, was Dank des Erfindergeists der Wissenschaftler aber wesentlich schneller gehe als zuvor. „In sieben bis zehn Jahren haben wir wohl Ruhe“, so (Vorstandsmitglied Michael) Bayer.
- Der Tipp erklärt die Details zur Auflösung des Vereins: Einstimmig entlastete die Mitgliederversammlung den Vorstand, nachdem die Kassenprüfer eine korrekte Kassenführung festgestellt hatten. Nach dem einjährigen Liquidationszeitraum erhalten die Mitglieder anteilig Mitgliedsbeiträge zurück, der Restbetrag von etwa 7.000 Euro werde an die Stadt Lampertheim ausgezahlt, die das Geld nur für gemeinnützige Zwecke in Neuschloß verwenden darf. Die Beendigung der Liquidation werde vom Registergericht veröffentlicht, erst dann sei der Verein erloschen, erläuterte Biehal das Verfahren nach Satzung und Bürgerlichem Gesetzbuch.
- Der Südhessen Morgen schreibt: Die Sicherung wird den Stadtteil noch mindestens dieses Jahrzehnt beschäftigen. Dennoch sind die Ehrenamtlichen bereits stolz auf das, was sie in den zurückliegenden 30 Jahren seit Bekanntwerden der Gesundheitsgefahren erreicht haben. In einem oft end- und aussichtslos erscheinenden Kampf ist es gelungen, den Ortskern weitgehend zu sanieren.
Der Rückblick des Vorstandes
Nachfolgend dokumentieren wir den Rückblick der Ersten Vorsitzenden Carola Biehal im Wortlaut.
Wir schreiben heute das Jahr 2020. Vor fast 200 Jahren, 1827, wurde die Fabrik in Neuschloß gebaut. Produziert hat sie Soda, Säuren, Chlorkalk, Glaubersalz und von 1895 bis 1927 Kunstdünger. In 1928 wurde die Fabrik verkauft und abgerissen, eine Brachfläche blieb liegen. Von 1950 an wurden auf dem ehemaligen Betriebsgelände Wohnhäuser gebaut.
Im Jahr 1980 startete eine größere Bebauungsphase bis zur Waldgrenze und südliche bis zum Waldfriedhof. Erste Anzeichen von Altlasten und einem eventuellem Gefährdungspotential kamen auf. Daraufhin schloss die Stadt 1989 die Freizeitanlage „Sodabuckel“.
Seit 31 Jahren, kämpfen, streiten, arbeiten, widmen wir uns dem Thema „Altlasten Neuschloß“ im Interesse der Bürgerinnen und Bürger vor Ort.
Auf Basis des Hessischen Altlastengesetzes führten wir 1995 die erste demokratische Wahl eines Projektbeirats durch. Die Neuschlößer bestimmten neun Vertreterinnen und Vertreter. Die Akzeptanz und den Respekt gegenüber den Behörden mussten wir uns erst erkämpfen.
Zur Vereinfachung der rechtlichen Grundlagen der Sanierung gründeten wir am 29. März 2000 den Verein „Altlasten Neuschloß e.V.“ – in Personalunion mit dem Projektbeirat. Er schloss mit dem Land einen Sanierungsvertrag, in dem die Mitglieder automatisch Vertragspartner wurden. Auf dieser Grundlage konnten die Eigentümer recht einfach ihre individuellen Verträge für die Wiederherstellung schließen.
Heute nach 20 Jahren ist die Sanierung des Wohngebiets erfolgreich abgeschlossen, die Gewährleistungsfristen sind erloschen. Der Zweck des Vereines ist erfüllt.
Der Projektbeirat Altlasten Neuschloß bleibt jedoch noch bestehen. Nach § 1, Absatz 3, der Geschäftsordnung sind die Aufgaben des PAN erfüllt, wenn die Sanierung vollständig abgeschlossen ist und alle behördlichen Auflagen aufgehoben sind.
- Die Bodensanierung auf dem ehemaligen Betriebsgelände wurde im Jahr 2011 abgeschlossen.
- Am 11.11.2016 wurde mit der Pflanzung eines letzten Baumes, eher ein Sämling, die Sanierung des Sodabuckels beendet.
- Im Jahre 2003 wurde mit der Grundwassersanierung begonnen und pro Jahr 50 bis 60 Kilogramm Arsen ausgetragen – bei einer Gesamtkontamination im Grundwasserleiter von sieben bis zehn Tonnen. Nach zehn Jahren, in 2013, wurde eine Variantenstudie erstellt, die neue, schnellere Verfahren mit bis zur 20-fachen Arsenmobilisierung aufzeigte. 2015 wurde eine Pilotsanierung im Schadenszentrum gestartet, die außerordentlich gute Ergebnisse erbrachte. Das Verfahren wurde auf Grundlage der Ergebnisse optimiert. In 2017 wurden mit den Baumaßnahmen zur großtechnischen Umsetzung der Grundwassersanierung begonnen und diese in 2019 fertiggestellt. Am 27. Februar 2020 lädt die HIM-ASG zum Tag der offenen Tür ein. Sie können sich vor Ort die neuen Gebäude ansehen und die Technik erklären zu lassen. Wir freuen uns auf Ihr Kommen.
- Für die Planungen der Sicherungen „Roter Hof“ und „Sandgruben“ wurde im Oktober 2019 ein Ingenieurbüro von der Stadt Lampertheim beauftragt. Wir können davon ausgehen, dass 2020 die Planungen laufen, 2021 die Erörterungen und Genehmigungen folgen. Denn der Beginn der Baumaßnahmen ist für 2022 vorgesehen. Der Sanierungsplan wird unter Mitwirkung des Regierungspräsidiums Darmstadt und der Stadtverwaltung, Herrn Frech erstellt. Eine Beteiligung des Projektbeirates Altlasten Neuschloß, der Bürgerkammer und der direkten Anwohner ist uns zugesagt.
Nach 31 Jahren sind zwei Großprojekte abgeschlossen, die Grundwassersanierung ist auf einem guten Weg, wir müssen aktuell nicht um die Finanzierung kämpfen. Die Notwendigkeit und die Rentabilität werden von allen Verantwortlichen getragen. Die Sicherungen der Flächen „Roter Hof“ und „Sandgruben“ sind in Bearbeitung.
Wer sich an mehr Details erinnern möchte, dem empfehle ich die neue Dokumentation von Michael Bayer im Internet, unter www.altlast-neuschloss.de zu lesen. Vielen Dank Michael, es wird hier wieder deutlich, wie groß unser Kampf war.
Wir können auf eine erfolgreiche Arbeit zurückschauen und stolz sein!