Festakt zum Abschluss des dritten Sanierungsabschnitts
„Betreten der Baustelle verboten“, gilt üblicherweise für die Baustellen-Bereitstellungsfläche an der Landesstraße. Diesmal verhält es sich genau andersherum: Betreten ist ausdrücklich erwünscht – für die Betroffenen der Altlastensanierung genauso wie für viel Prominenz aus Neuschloß, Lampertheim, Biebesheim, Darmstadt und Wiesbaden. Der Anlass: ein kleiner Festakt in einem Zelt. Eine illustre Runde erklärt den dritten Sanierungsabschnitt feierlich als beendet – und gibt zugleich die Arbeiten für den vierten Teil frei.
Regierungspräsident Johannes Baron ist bis ins Detail informiert. Er plaudert aus dem Nähkästchen: Jene Messgeräte, die die Planer aus Angst vor einstürzenden Häusern am Wall zwischen Lindenweg und Erlenweg aufstellen ließen, hätten ihre Empfindlichkeit bewiesen und Alarm geschlagen – etwa wenn die Anwohner Nägel in die Wand hauten oder ihre Rollläden etwas zu schwungvoll runterließen. Baron verteilt viel Lob – unter anderem an den Projektbeirat und das Bürgerbüro „für die konstruktive Begleitung und Kommunikation der gemeinsam zu bewältigenden großen und sehr sensiblen Aufgabe“.
Anwohnern und Grundstückseigentümern dankt der Regierungspräsident für ihre Geduld, die sie seit Beginn der Sanierungsarbeiten bewiesen hätten und bis zum Abschluss der Arbeiten im Jahr 2011 noch aufbringen müssten. Ein Rundgang durch die Straßen habe ihm gezeigt, die Neuschlößer nutzten die Altlastenbeseitigung auch für eine „Sanierung des Erscheinungsbildes“ – viele Anwohner verschönern im Rahmen der Wiederherstellung Garten und Haus zusätzlich aus eigener Tasche. Ein Aspekt, den später auch Lampertheims Bürgermeister Erich Maier anspricht: „Der Stadtteil Neuschloß war schon immer herausragend – nach der Sanierung wird er noch schöner.“
Für das Hessische Umweltministerium spricht der Referatsleiter Altlastensanierug, Mustafa Dönmez – ein Freund von „Johannes“ aus alten Tagen im hessischen Landtag, wie er sich vorstellt. Regierungspräsident Johannes Baron saß für die FDP im Parlament, Dönmez „für eine andere Partei“, sagt er – und meint die Grünen. Dönmez wortspielt, „in Lampertheim macht das Land Boden gut“ – und verspricht, man werde dafür auch weiter die nötigen Mittel bereitstellen. Die Kosten habe man weitgehend im Griff, sie lägen etwa zehn Prozent über dem Ansatz.
Kein Dönmez ohne augenzwinkernde Provokation mit handfestem Hintergrund – so auch diesmal. Das Land habe ja schon mehrfach kleine Feiern ausgerichtet zum Abschluss von Sanierungsabschnitten. Für das große Fest am Ende aller Arbeiten sehe er nun die Stadt in der Pflicht. Bürgermeister Maier kontert geschickt zurück: ja, man werde die Feier ausrichten – und sie sogar noch größer machen, wenn es Dönmez tatsächlich mal gelinge, auch die Hessische Umweltministerin Silke Lautenschläger mitzubringen.
Ortsvorsteher Gottlieb Ohl, Parteikollege Barons, ergänzt, der Ortsbeirat plane schon ein Schlossfest mit Livemusik. Ohl erinnert, nicht alle, die für die Sanierung gekämpft haben, können die Umsetzung erleben. Die Frage aus frühen Diskussionen: „Muss man hier überhaupt sanieren?“ beantworte die Menge der Gifte, die aus Boden und Grundwasser geholt werden.
Sanierungsplaner Ulrich Urban von der HIM nennt die Größen: Er rechnet, dass am Ende 320 Tonnen an Schwermetallen abtransportiert wurden und 250 Gramm Dioxin – „schon ein Gramm Dioxin ist eine Dimension, die ist wahnsinnig“. Die Arbeiten würden sich minimal verzögern: „Ich denke, drei Monate länger kann man bei neun Jahren Sanierung akzeptieren.“
Ernste Worte spricht Bürgermeister Erich Maier: „Wir als Stadt Lampertheim haben hier große Verantwortung, weil wir in Neuschloß die Baugebiete ausgewiesen haben. Zu dieser Verantwortung stehen wir.“ Bisher hat das die Stadt 14 Millionen Euro gekostet. Ortsvorsteher Ohl streicht den fairen Umgang mit Neuschloß ebenfalls heraus und dankt dafür.
Die Chefin der HIM-Sanierer aus Biebesheim, Birgit Schmitt-Biegel, erinnert an die Ursache allen Übels in Neuschloß. Die Sodafabrik (Volksmund) habe ein Jahrhundert lang gearbeitet. Jetzt brauchen die nachfolgenden Generationen ein Jahrzehnt, um die Überbleibsel zu sichern oder zu entfernen. Sie wünscht zudem einen unfallfreien Fortgang der Arbeiten.
Die Sprecherin des Projektbeirats und Vorsitzende des Altlastenvereins, Carola Biehal, erinnert daran, wie im Laufe der Arbeiten Häuser zitterten, Nerven blank lagen, die Neuschlößer laut und heftig diskutierten – aber am Ende auch Lösungen fanden. PAN und Verein hätten viele Verhandlungen, Diskussionen und vermittelnde Gespräche geführt. „Nach fast sechs Jahren können wir sagen, alle haben dazu gelernt. Die allgemeine Zusammenarbeit läuft mittlerweile in einem guten Klima und mit gegenseitigem Respekt.“
Altlast-neuschloss.de dokumentiert die komplette Rede des Projektbeirats (pdf).
Bilder: Michael Bayer