Ortsbeirat: Eitelkeit gegen Pragmatismus
Lange haben Projektbeirat und der Altlastenverein dafĂŒr gekĂ€mpft, dass der hochgiftige Dioxinwall direkt hinter den Buchenweg-GrundstĂŒcken möglichst schnell wegkommt. Gemeinsam mit der Stadtverwaltung, den Sanierern vor Ort und dem Land Hessen haben wir eine Lösung gefunden: Der HĂŒgel wird zeitgleich mit der Sanierung der benachbarten GrundstĂŒcke abgetragen; das Material oben auf dem Sodabuckel verbuddelt – genau wie spĂ€ter die restliche vergiftete Erde vom Sodabuckel, die an den Seiten abgetragen werden muss. Dieses geplante Vorgehen war nun Thema in Ortsbeirat – und was dort manche Politiker vorgetragen haben, bringt den Kommentator des SĂŒdhessen Morgen auf die Palme. Uns auch.
Aber der Reihe nach. Oliver Lohmann erinnert in der Lampertheimer Zeitung an die Sachlage: „Die 800 Kubikmeter Erde kommen auf die Spitze des Sodabuckels und werden dort mit einer 40 Zentimeter starken Erdschicht und Geotextil abgedeckt.“ Das widerspreche nicht dem politischen Beschluss, der keine verseuchte Erde von privaten GrundstĂŒcken auf dem Sodabuckel erlaubt, wird der Sanierungsexperte der Stadtverwaltung, Stephan Frech zitiert. Und Frech weiter: „Die gefundene Lösung spart der Stadt als SanierungstrĂ€ger Geld und verringert das GefĂ€hrdungspotenzial fĂŒr die BĂŒrger.“ Ortsvorsteher Gottlieb Ohl sehe das Ă€hnlich, schreibt die Zeitung. Und: „Ohl dankte dem Projektbeirat Altlasten NeuschloĂ (PAN), der die Lösung mit dem Land ausgehandelt hatte.“
Uwe Rauschelbach schildert im SĂŒdhessen Morgen den weiteren Verlauf der Debatte: Der Ortsbeirat befĂŒrworte das aktuelle Planvorhaben einhellig. Andernfalls drohe die Abfuhr des giftigen Materials abermals auf die lange Bank geschoben zu werden.
Frech erwĂ€hne, eine externe Entsorgung und Verbrennung des Dioxinwalls koste rund 416.000 Euro. Zur Erinnerung: Die gefundene Lösung mit der Verlagerung kostet die Stadt nichts. Dennoch entspanne sich „im Ortsbeirat ein Disput, an dem sich auch die Vertreter einzelner Lampertheimer Fraktionen beteiligten.“
„PAN-Sprecherin Carola Biehal mahnte, jetzt keine ‚Detail-Diskussion‘ zu fĂŒhren. Der PAN habe zwei Jahre lang um eine solche Lösung gerungen und schlieĂlich die Zustimmung des Landes erhalten. Es gehe beim Dioxinwall darum, „Lösungen zu finden, die angemessen sind“.
Dennoch, so der SĂŒdhessen Morgen weiter, pochten vor allem SPD-Fraktionschef Hans Hahn und CDU-Fraktionsmitglied Nunzio Galvagno im Verlauf der Diskussion auf die Entscheidungshoheit des Parlaments. „Sie Ă€uĂerten sich vor allem kritisch ĂŒber die von der Sodabuckel-Sanierung ausgegliederte Entsorgung des Dioxinwalls und machten Bedenken geltend, dass auf die Stadt wegen der dauerhaften Sicherung des Sodabuckels Folgekosten zukĂ€men.“ Die Lampertheimer Zeitung kennt die Antwort von Volker Harres, SPD-Ortsbeiratsmitglied und zustĂ€ndiger Förster: Es fielen „vorerst keine Folgekosten an. Denn in den wenigen Jahren bis zur endgĂŒltigen Sicherung/Sanierung des Sodabuckels wĂŒchsen keine BĂ€ume auf der umgelagerten Erde.“ (Die mĂŒssten entfernt werden, wenn die Wurzeln zu tief werden.)
Uwe Rauschelbach wird das zu bunt. Er schreibt einen Kommentar fĂŒr rasches Handeln am Dioxinwall mit dem Titel: „BloĂ keinen Eiertanz!“ Er fasst zunĂ€chst zusammen: „Nun hat sich das Land zu einem Kompromiss bereit erklĂ€rt, der die Stadt zum einen finanziell entlastet, zum anderen eine vergleichsweise rasche Entsorgung des Dioxinwalls ermöglicht.“ Dass die giftige Erde auf den ungeliebten Sodabuckel verfrachtet werden solle, sei in der Tat keine Vorstellung, die enthusiastisch stimmt. „Aber es ist immerhin eine pragmatische Lösung.“
Rauschelbach formuliert den Verdacht, möglicherweise gehe es den Stadtparlamentariern darum, „einen PrĂ€zedenzfall schaffen, um ihre parlamentarische Entscheidungshoheit zu demonstrieren.“ Sprich: Es geht ihnen gar nicht um den Sodabuckel, sondern darum, dass sie sich ĂŒbergangen fĂŒhlen und wohl gerne gefragt worden wĂ€ren, ob man denn nach einer Lösung suchen dĂŒrfe. (Wahr ist allerdings: Der Projektbeirat erinnert immer wieder öffentlich an den stĂ€dtischen Arbeitskreis Altlasten, in dem sich Kommunalpolitiker, Fachleute und der Projektbeirat besser austauschen könnten – wenn er denn mal wieder tagen wĂŒrde.)
„Doch deshalb die Entsorgung des Dioxinwalls auf die lange Bank zu schieben, wĂ€re nicht nur gegenĂŒber Wiesbaden ein kaum mehr nachzuvollziehender Eiertanz, sondern vor allem aus Sicht der betroffenen Bewohner eine unzumutbare Belastungsprobe. Hiervon hatten sie in all den Jahren wahrlich schon genug“, mahnt der SĂŒdhessen Morgen.
Der Autor dieser Presseschau hatte zunĂ€chst ĂŒberlegt, noch darĂŒber zu sinnieren, warum Stadtverordnete aus KostengrĂŒnden erst gegen die dringend nötige Sanierung der Leitungstrassen argumentieren – und dann erwĂ€gen, sechsstellige BetrĂ€ge dafĂŒr auszugeben, dass ein vergleichsweise kleiner, wenn auch ziemlich giftiger Teil des Sodabuckels verbrannt wird, wĂ€hrend der restliche Dreck vom Sodabuckel dann doch wieder dort abgelagert wird. Aber die Sache mit der Eitelkeit erklĂ€rt das schon hinreichend. Wir haben verstanden.